Warum Standardauswertungen oft zu kurz greifen – und wie wir das ändern

30. Apr. 2025

Hilfsfrist erfüllt = gut. Überschritten = schlecht. So einfach sind viele Auswertungen im Rettungsdienst gehalten. Für viele mag dies eine einfache und schnelle Möglichkeit sein, eine Entscheidung zu treffen – aber ist es auch die richtige? Denn hinter jeder Zahl, jedem Zeitstempel und jeder Prozentquote verbirgt sich ein viel tieferes und komplexeres Zusammenspiel von Faktoren, das die einfache Gleichung „erfüllt“ oder „überschritten“ nicht immer abbilden kann.

Die Frage ist: Was passiert, wenn wir die Komplexität dieser Daten und das Verhalten des gesamten Systems erkennen und analysieren, anstatt uns mit oberflächlichen Auswertungen zufriedenzugeben? Und noch wichtiger: Wie können wir mit dieser Erkenntnis die Qualität und Effizienz von Rettungsdienstplanungen und -einsätzen nachhaltig verbessern?

In diesem Artikel erklären wir, warum Standardauswertungen oft zu kurz greifen und wie wir als Expert:innen mit unserem systemischen Ansatz weit über die gewohnten Kennzahlen hinausgehen, um tiefere Einsichten und präzisere Handlungsempfehlungen zu bieten.

Was Standardauswertungen liefern – und was nicht

Die meisten Standardauswertungen, die in der Rettungsdienstplanung verwendet werden, basieren auf einfachen Mittelwerten, Anteilen und starren Zielwerten. Sie konzentrieren sich häufig auf Kennzahlen wie „erfüllte Hilfsfristen“, „erreichte Zielvorgaben“ oder „Durchschnittswerte“ von Einsatzzeiten. Diese Auswertungen geben zunächst einen schnellen Überblick, doch sie sind nicht in der Lage, die zugrunde liegenden Ursachen für bestimmte Ergebnisse zu erklären. Was man damit erhält, sind oft isolierte, eindimensionale Daten – aber die ganze Geschichte bleibt verborgen.

Was Standardauswertungen in der Regel nicht leisten:

  • Zeitliche Betrachtung: Sie schauen größtenteils nicht auf die zeitliche Dimension der Einsätze. In vielen Regionen ist die Hilfsfrist beispielsweise tagsüber leichter zu erreichen als nachts. Solche dynamischen Zeitfaktoren werden durch einfache Zielwertvergleiche nicht abgebildet.
  • Räumliche Verhältnisse: Es wird oft nicht berücksichtigt, wie die geografische Lage eines Einsatzes die Hilfsfrist beeinflusst. Ein Einsatz in einem abgelegenen Gebiet oder in einem städtischen Zentrum mit hohem Verkehrsaufkommen kann erheblich längere Anfahrtszeiten erfordern.
  • Wechselwirkungen im System: Standardauswertungen betrachten die einzelnen Kennzahlen isoliert. Sie erheben z. B. die Hilfsfrist für jeden Einsatz, ohne die Auswirkungen von Folgeeinsätzen, Ressourcenengpässen oder Fahrzeugverfügbarkeiten zu berücksichtigen.
  • Taktische Alternativen: Eine simple Zielwertüberprüfung zeigt nicht, wie unterschiedliche Dispositionsstrategien oder Fahrzeugkombinationen das Ergebnis beeinflussen könnten. Hier kommt die wahre Komplexität des Systems ins Spiel.

Standardauswertungen sind also nur ein erster Schritt. Sie geben einen groben Überblick, aber keine tiefgehende Einsicht.

Der Unterschied: Vom Prozentwert zur Ursache

Unsere Auswertungen setzen genau hier an. Wir gehen über das reine Messen und Vergleichen hinaus. Statt nur zu sagen „Das Ziel wurde erreicht oder nicht“, analysieren wir, warum es erreicht oder verfehlt wurde.

Wir blicken auf Systemverhalten und betrachten die Daten nicht nur als isolierte Einzelwerte, sondern als ein komplexes Netzwerk miteinander verbundener Elemente. Hier einige Beispiele, wie diese systemische Perspektive auf Einsatzdaten aussieht:

  • Zeitlich differenzierte Auswertungen: Wir betrachten nicht nur den Durchschnitt der Hilfsfrist, sondern analysieren, zu welchen Tageszeiten, Wochentagen oder saisonalen Perioden bestimmte Muster auftreten. Gibt es wiederkehrende „Spitzenzeiten“, die auf besondere Engpässe hinweisen? Durch diese zeitliche Differenzierung können wir die Ursachen für Verzögerungen viel präziser lokalisieren.
  • Räumliche Einflussfaktoren: Wie wirkt sich die geografische Lage eines Einsatzes auf die Hilfsfrist aus? In städtischen Gebieten, in denen der Verkehr und die Dichte der Bevölkerung höher sind, können ähnliche Einsätze andere Konsequenzen nach sich ziehen als in ländlichen Regionen. Wir integrieren Raumdaten und Bevölkerungsstrukturen, um die Auswirkungen von Entfernungen und Straßennetzen auf die Einsatzzeiten zu verstehen.
  • Berücksichtigung von Folgeeinsätzen: Ein oft übersehener Faktor sind Folgeeinsätze, die zu Verzögerungen führen können. Ein Fahrzeug, das sich auf dem Rückweg von einem Einsatz befindet, könnte aufgrund von Folgeeinsätzen weiter gebunden sein, was den gesamten Planungsprozess verkompliziert. Wir erfassen und analysieren diese Wechselwirkungen systematisch.
  • Taktische Alternativen: Wir analysieren nicht nur die aktuellen Einsätze, sondern auch mögliche taktische Alternativen. Was wäre, wenn ein weiteres Fahrzeug (z. B. NEF) zu einem Einsatz hinzugezogen würde? Wie würde sich die Hilfsfrist verändern, wenn eine bestimmte Route vermieden oder optimiert werden könnte? Diese Fragen beantwortet die einfache Standardauswertung nicht.

Vom Einzelfall zur Systemoptimierung

Der entscheidende Vorteil dieser ganzheitlichen Betrachtung ist, dass wir systemische Erkenntnisse gewinnen können, die für die Planung und Optimierung der Rettungsdienste von entscheidender Bedeutung sind. Denn während Standardauswertungen oft Einzelprojekte oder Einzelfälle in den Vordergrund stellen, zeigen unsere umfassenden Analysen, wie verschiedene Faktoren auf das gesamte System wirken.

Dies ermöglicht es uns, nicht nur zu sagen „Die Eintreffzeit war zu unzureichend“, sondern auch zu verstehen, warum und wie wir diese Ursache künftig vermeiden können. Wir können damit gezielt an der Verbesserung der Einsatzstruktur arbeiten – durch die Anpassung der Disposition, der Fahrzeugverfügbarkeit oder der geografischen Ressourcenverteilung.

Fazit: Standardauswertungen zeigen Symptome. Wir zeigen Lösungen.

Prinzipiell bieten Standardauswertungen eine schnelle Antwort auf die Frage „Wurde das Ziel erreicht, oder nicht?“ – doch sie lassen den tieferen Zusammenhang und die Ursachen unentdeckt. Wir gehen einen Schritt weiter und analysieren, wie und warum bestimmte Ergebnisse zustande kommen. So können wir nicht nur bestehende Probleme erkennen, sondern auch gezielte, nachhaltige Maßnahmen zur Optimierung ergreifen.

Durch den ganzheitlichen Ansatz, den wir verfolgen, verstehen wir nicht nur die Symptome, sondern auch die zugrunde liegenden Ursachen. So schaffen wir eine fundierte Grundlage für die strategische Planung und Entscheidungsfindung im Rettungsdienst – und tragen dazu bei, dass Hilfe schneller, effizienter und gezielter dort ankommt, wo sie gebraucht wird. 

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